Donnerstag, 3. Februar 2011

Ost trifft West - Unterschiede zwischen chinesischer und deutscher Kultur

Im Folgenden will ich auf ein paar Unterschiede in der chinesischen Kultur eingehen. Dabei hat mit das Buch "Ost trifft West" sehr geholfen mit Leutenna aufgewac darueber ins Gespraech zu kommen. Geschrieben wurde das Buch von einer chinesische Autorin, die in Deutschland und China aufgewachsen ist. Sie stellt darin in simplen Piktogrammen zu unterschiedlichen Aspekten  links Deutschland und rechts China dar. Die Piktogramme waren eine tolle Grundlage mit Leuten darueber zu sprechen und die Gespraeche waren allgemein sehr bereichernd fuer beide Seiten.  Das Buch kann man z.B. hier erhalten. Ein paar der Dinge, die mir gerade einfallen will ich unten teilen. Dabei gibt es natuerlich bei den meisten Bildern eine unglaubliche Vielfalt an Gruenden und hinter allen steckt eine Vielfalt von kulturellen Besonderheiten, die dazu fuehren wie es ist.



Gesellschaft und Senioren

 
Quelle: http://www.art-magazin.de/asset/Image/SZENE/Ost_trifft_west/Senioren.jpg
 Der oder die aeltere hat in China generell eine hervorgehobene Stellung. Beim Zuprosten z.B. - was in China waehrend eines Essens ca. 20 Mal geschieht - hat der juengere sein Glas stets etwas tiefer zu halten. Vor dem Essen sagen Kinder zunaechst "Ess Grossvater, ess Grossmutter, ess Vater, ess Mutter, ..." bevor sie selbst essen. Die Versorgung der Eltern ist wichtig und generell Aufgabe des aeltesten Geschwisters. ...



 Schoenheitsideal

Quelle: http://micenterprise.de/sec_diary/schoen.jpg
 "Sonnenstudio? Wie kann man Geld dafuer zahlen noch 'schwaerzer' zu werden? Weisse Haut ist doch so viel schoener!" Helle Haut, grosse Augen, grosse Nase, rundes Gesicht, kleiner Mund - so sieht eine schoene Chinesin in den Augen der Chinesen aus. Im Sommer laufen sie mit Schirm und Tuechern umher. Wie in Deutschland im Mittelalter wird weisse Haut mit einem sorgenfreien Leben verbunden, in welchem man eben nicht draussen arbeiten muss.




 Chef
Quelle: http://www.hasen-farm.de/blog/wp-content/uploads/2008/07/yangliu_ausstellung.jpeg
Das Bild wurde immer unterschiedlich interpretiert. Angefangen von
  • "in China bekommt ein Chef deutlich mehr Geld als die Angestellten", ueber
  • "in Deutschland diskutiert der Chef mit seinen Unterstellten, in China gibt er vor, was gemacht wird" bis hin zu
  • "ich denke das stimmt so nicht. In China hoert ein Chef auch auf seine Unterstellten."
 Aus den vielen Gespraechen mit unterschiedlichen Leuten habe ich allerdings doch das Gefuehl, dass die ersten beiden Punkte hier durchaus sehr verbreitet sind. Die Systeme sind hier doch sehr hierarchisch und die dadurch entstehende Macht wird oft auch zu hoeheren Einnahmen (aus)genutzt (ich hoffe, ich komme die Tage dazu noch etwas ueber die Korruption hier zu schreiben).



 Das Kind

Quelle: http://gut-jingli.cn/images/liu-yang/bild16.gif
In diesem Bild stecken denke ich eine ganze Menge interessanter Unterschiede. Die Schueler an meiner High-School haben unter anderem folgende Dinge herausinterpretiert:
  • "In China wird ein Kind nicht nur von den Eltern, sondern auch von den Grosseltern gross gezogen "
  • "In China dreht sich immer alles um das Kind (stimmt!)"
  • "In Deutschland wird das Kind wie ein Erwachsener behandelt, in China ist ein Kind immer das Kind
  • "Chinesische Kinder werden verwoehnt"
Die Punkte sind meines Erachtens allesamt wahr. Es gibt dafuer natuerlich auch eine ganze Mnge an Gruenden. Aufgrund der Ein-Kind-Politik ist das Kind hier das ein und alles. Kombiniert mit dem (noch) nicht vernuenftig funktionierenden Rentensystem ist das Kind gleichzeitig die Altersversicherung. Dahinzu kommt noch die Tatsache, dass Chinesen Familienmenschen sind und generell Selbstverwirklichung und Individualismus hier nicht so wichtig sind. Dann arbeiten hier meist Mann und Frau und das auch sehr viel, sodass Eltern oft keine Zeit haben, das Kind tagsueber bzw. unter der Woche zu betreuen. Hier kommen die Grosseltern ins Spiel. Insbesondere bei den Wanderarbeitern lebt das Kind oft bei den Grosseltern auf dem Land (nur dort kann es kostenfrei zur Schule gehen), waehrend die Eltern in der Stadt das Geld verdienen. Es wird hier auch unglaublich viel Geld fuer das Kind ausgegeben. Ein zweites Kind waere heutzutage meistens nicht finanzierbar. Die Bildung des Kindes ist extrem teuer.



Senioren im Alltag
Quelle: http://gut-jingli.cn/images/liu-yang/bild15.gif
Dieses Bild schliesst ein wenig an das obere an und hat mich fast ein wenig traurig gestimmt. O-Ton eines Schuelers war "In Deutschland haben die Senioren nicht die Moeglichkeit mit ihren Enkeln zusammen zu sein, deswegen brauchen sie einen Hund als Freund." Tatsaechlich ist es so, dass in Deutschland viele Senioren recht einsam scheinen bzw. sind. Oft leben sie im Altersheim. In China ist das Bild zumindest derzeit noch anders. Noch haben die aelteren viele Kinder und damit viele Enkelkinder. Aber in der naechsten Generation wird das auch anders werden. Zudem sind Altersheime deswegen noch nicht so noetig und sowieso (noch) nicht finanzierbar. Derzeit wohnen Senioren meist in einer Wohnung in der Naehe eines der Kinder. Es wird teilweise erwartet, dass man den Eltern eine Wohnung in der Naehe kauft, wo man derzeit lebt. Dabei ist es viel wichtiger in der Naehe der Kinder zu sein, als in seinem sonstigen gesellschaftlichen Umfeld (Freunde, ...). Dieser Fakt stoesst bei der juengeren Generation hier aber auch nicht immer auf unbegrenzte Freude. Trotzdem ist das Bild eines mit den Enkeln spielenden Senioren doch schoener als das mit dem Hund. Ich denke aber, dass das Bild trotzdem stark ueberspitzt ist und im Gegensatz zu China aeltere Leute auch viel mehr noch die Gelegenheit haben sich im oeffentlichen Leben unabhaengig zu bewegen. In einer hektischen chinsischen Grossstadt ist das nicht gegeben.




Lebensstil


Quelle: http://de.sap.info/wp-content/uploads/2010/08/Lebensstil_yang_liu_de.jpg
 "Das muss so sein, weil in China so viele Leute wohnen." Ich weiss nicht wie oft ich diese Antwort gehoert habe, auf die unterschiedlichsten Fragen. Von den Schuelern in meiner Schule kamen u.a. folgende Aussagen zu dem Bild:
  • "Chinesen haben gerne viele Freunde, Deutsche sind lieber allein."
  • "Deutsche brauchen mehr Privatssphaere als Chinesen."
  • "Deutsche sind selbstbewusster als Chinesen."
  • In Deutschland denkt der einzelne er ist stark, in China denken wir zusammen sind wir stark!"
Mir fiel es selbst immer schwer greifbar zu vermitteln bzw. zu verstehen, was hinter diesem Bild steckt. Definitiv ist damit die hohe Stellung von Individualismus bei uns und Gemeinschaft in China verbunden. Anfangs habe ich mich immer gefragt, ob das noch Produkte des Kommunismus sind, allerdings glaube ich, dass der Wert der Gemeinschaft auch schon davor einen hoeheren Stellenwert als bei uns hatte. Da ist wohl ein Historiker besser geeignet das zu beantworten.

Dieser "Gemeinschafts-Wert" zeigt sich an so vielen Stellen, angefangen von
  • der Begeisterung fuer gemeinsame Auffuehrungen von einer grossen Anzahl von Menschen (wie z.B. die Eroeffnungszeremonie von Olympia - wovon die Leute heute noch schwaeremen und sagen, das haette kein anderes Land so gut machen koennen)
  • der Patriotismus und die Ueberzeugung, dass die Japaner nur durch die Gemeinschaft besiegt werden konnten
  • die kollektive Bewertung der ganzen Klasse in der Schcule bei einigen Dingen
  • das gemeinsame Rennen im Militaerstil in der Schule, wobei einer Vorschreit und die anderen Nachschreien
  • die generelle Einsicht, dass die Ein-Kind-Politik noetig ist, um die Bevoelkerung zu stabilisieren
  • viele Hundertausende Menschen muessen weichen fuer den Drei-Schluchten-Staudamm
Manchmal ist es schwer zu entscheiden, was nun besser ist. Die Rechte jedes Einzelnen zu schuetzen (zum Beispiel die Eigentumsrechte beim Bau des Drei-Schluchten-Staudamms) oder fuer das Gemeinwohl auch mal zu opfern (und eben Leute Zwangsumsiedeln, um ein Wasserkraftwerk in der Groesse von mehreren Atomkraftwerken zu realisieren, das guenstigen Strom liefert). Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte (und in obigem Beispiel dann evtl. durch geeignete Entschaedigungen der Betroffenen).

Das Spannungsfeld zwischen diesem Gemeinschaftswert und dem "noetigen" Egoismus durch den harten Wettbewerb zwischen den jungen Chinesen und durch die Einfuehrung der Marktwirtschaft ist fuer mich immer noch faszinierend. Beides existiert, beides scheint sich zu widersprechen.


Drei Mahlzeiten

Quelle: http://blog.karlshochschule.de/wp-content/uploads/2009/09/ost_trifft_west_1.jpg
Mithilfe dieses Bildes habe ich ein paar Tage vor meinem Abflug realisiert, dass ich wohl tatsaechlich auf mein so geliebtes Muesli morgens verzichten werden muss. Und Tatsache, mittlerweile esse ich Baozi bzw. Jiaozi (Maultaschen) und 'Porridge' (Reissuppe) zum Fruehstueck - und es schmeckt. "Warum essen Chinesen immer warmes essen?" Darauf bekomme ich stets geantwortet, dass es nicht gut fuer den Magen ist kaltes Essen zu essen. Tatsaechlich haben mir auch schon mehrere Leute bestaetigt, dass sie von ihren Eltern gelehrt wurden, im Winter nichts draussen auf der Strasse zu essen, da sie sonst den kalten Wind einatmen werden.



Sonntags auf der Strasse

Quelle: http://www.art-magazin.de/asset/Image/SZENE/Ost_trifft_west/Sonntags.jpg
Sonntags geht man hier shoppen. Sonntags hat man Zeit, sonntags haben die Geschaefte extra Rabatte und sonntags ist hier tatsaechlich die Hoelle los. Die Schueler haben immer sehr lange (und Hinweise) gebraucht, um darauf zu kommen, warum bei uns die Strassen da so leer sind.

Tiere

Quelle: http://www.art-magazin.de/asset/Image/SZENE/Ost_trifft_west/Tiere.jpg
"In Deutschland, da moegt ihr die Tiere in der Natur, in China, da moegen wir die Tiere auf dem Tisch." Ja! 1m Luftlinie von mir steht ein Topf mit einem kompletten zerhackten Huenchen und daneben ein eben so bis aufs letzte verspeister Fisch (-:. In China wird nichts vom Tier verschwendet. "In China wird alles gegessen, was 4 Beine hat, ausser Tische" oder "In China wird alles gegessen was man kauen kann". Jaja das Essen hier, darueber koennte ich viel schreiben. Es ist unglaublich vielfaeltig und regional extrem verschieden. Und wenn auch teilweise gewoehnungsbeduerftig (Seegurke, Huehner- und Schweinefuesse sind da noch die harmlosen Beispiele), so ist es doch extrem lecker!

Interessant fand ich bei dem Bild, dass auch viele angemerkt haben, dass wir in Deutschland die Umwelt viel besser schuetzen als in China. Die Leute hier sind sich sehr bewusst, dass der Umweltschutz in China sehr duerftig ist!

Duschzeiten

Quelle: http://www.paucisverbis.com/wp-content/uploads/2007/12/showering-itme.jpg
Stimmt. Hier gab es auch ein paar abstruse Erklaerungsversuche wie "In Deutschland haben die Leute mehr Zeit und koennen deswegen morgens duschen, in China haben sie dafuer keine Zeit.". Ich mein frisch geduscht ins Bett zu gehen hat definitiv was, aber eine morgendliche Dusche halt auch.


Im Restaurant


Quelle: http://www.paucisverbis.com/wp-content/uploads/2007/12/in-the-restaurant.jpg
Warum ist es bei uns im Restaurant eigentlich so still? Chinesische Restraunts sind definitiv enger bestuhlt und es gibt immer eine Truppe, die sich mit gegenseitigen "ganbei" (glas leer) Rufen betrinkt. Aber auch sonst sind Chinesen gesellige, gespraechige und durchaus humorvolle Leute (insbesondere bei diesen Punkten wurde mein zuvor bestehendes Chinabild stark zurecht gerueckt!), was im Restaurant auch zu einem hohen Laermpegel fuehrt.


Transport

Quelle: http://provinzblog.de/wp-content/uploads/2008/06/transport.jpeg
Chinesische Staedte sind ein Verkehrschaos. In Peking werden neue Zulassungen verlost, in allen anderen Millionenstaedten (wovon es hier ja etliche gibt) werden immer mehr Strassen _ueber_einander gebaut. Und noch haben 30 von 1000 Chinesen ein Auto (in Dtld. sind es 500). Als mein Vater vor 17 Jahren in Peking war, waren es noch viele Fahrraeder. Nur ein Besipiel fuer den rasanten Wandel. Und ein Auto ist hier definitiv ein Statussymbol. Es gibt hier schon jetzt so unglaublich viele deutsche Luxusautos und dann oft auch gleich die richtig teuren (AMG, Cayenne GTS, X6, ...). Waehrend in Deutschland der Manager auch mal mit dem Rad kommt, ist das in China allein aus symbolgruenden ausgeschlossen. Abgesehen davon ist es rein verkehrstechnisch unmoeglich hier mir dem Rad zu fahren und die Lunge ist danach auch geteert :). Aber in allen Staedten werden gerade Metros gebaut und dann wird wohl auch der oeffentl. Personennahverkehr besser und attraktiver.


Neuheiten

Quelle: http://www.paucisverbis.com/wp-content/uploads/2007/12/novelties.jpg
 "Der Chinese an sich" liebt Neuheiten. Chinesen sind sehr technikaffin und auch viele aeltere Chinesen nutzen hier das Internet und das Handy (bzw. Smartphone und gar iPads!). "Der Deutsche an sich" ist da etwas konservativer unterwegs.

So, soviel dazu. Ich hoffe es hat etwas Interesse an der chinesischen Kultur geweckt!

Dienstag, 25. Januar 2011

Bildung in China


Ein paar meiner Eindruecke zum Thema Bildung in China.

Relevanz von Bildung
  • Bildung ist der Nummer 1 Fokus fuer jeden Chinesen unter 25!
    • Es wird im Prinzip saemtliche Zeit fuer die Schule aufgewendet 
      • siehe Stundenplan meiner High School unten. Da kann man aus Mitleid fast feuchte Augen bekommen :).
      • Auch die Eltern achten penibel darauf, dass die Kinder zuhause ihre Hausaufgaben machen und nicht abgelenkt werden.
      • In den Winter- und Sommferien werden dann von einem grossen Teil der Schueler extra Sprachkurse und andere Kurse belegt. Wer sich nicht darauf einlaesst laeuft Gefahr, dass sein Kind danach im Vergleich zurueckfaellt.
        • 2 Eltern wollten, dass ich ihren 4 bzw. 6 Jahre alten Kindern Deutsch beibringe!!
        • Zurzeit wohnt eine Nichte meines Gastvaters bei uns, die aus einer 20h entfernten Stadt zum Englischlernen in den Winterferien nach Dalian gekommen ist
        • Ich unterrichte derzeit 2-3 Studenten, die in den Winterferien Deutsch lernen wollen.
        • Die Preise fuer solcheKurse sind teils sehr hoch. Fuer 2h Deutschunterricht zahlen Chinesen umgerechnet knapp 20 EUR und ich bin billig :-)!
      • Auf Nachfrage, ob das nicht etwas uebertrieben ist bekam ich meist eine Antwort nach folgendem oder sehr aehnlichem Schema: 
        • schlechte Noten -> schlechte Uni (vgl. Universitaetseintrittspruefung) -> schlechter Job -> kein Geld fuer eine Wohnung -> keine Heirat moeglich (eine eigene Wohnung ist tatsaechlich oft Voraussetzung fuer eine Heirat - generell wird hier beim Heiraten sehr stark auf den finanziellen Hintergrund geachtet)
        • es gibt soviele Menschen in China, da ist der Wettbewerb um Jobs knallhart. Bessere Bildung bedeutet dann bessere Chancen.
  • Jeder sieht Bildung als Schluessel zum Erfolg! Alle wollen Studieren, was derzeit aber zunehmend kritisch gesehen wird und die Regierung investiert in Werbekampagnen fuer Ausbildungsberufe, da solche Leute fehlen und viele Studenten nach einem mittelmaessigen Studium doch ohne Job da stehen.


Lernzeiten in der Grundschule aus dem Buch "Ost trifft West" - links in Deutschland, rechts in China


Der knallharte Stundenplan an der Dalian No. 20 High School. Die Schule ist zur Haelfte ein Internat. Die Nicht-Internatsschueler koennen vor dem Abendessen nach Hause gehen, die anderen muessen bis 22:00 unter Aufsicht im Klassenzimmer Hausaufgaben machen. Um 22:30 muss dann in den Zimmern der Schueler das Licht aus sein. Waehrend "eyes rest" muessen alle Schueler ihre Augen schliessen und "Power Napping" praktizieren. Der als "Aerobic" getarnte Programmpunkt ist der 1,2km lange Militaerlauf im Klassenverbund.

Bildungsniveau
  • Selbst kann ich die Leistung der Schueler nur schwer einschaetzen. Dafuer, dass die High Schools (Alter ca. 14-17) aber im Prinzip Gesamtschulen (d.h. fast alle gehen auf die High School, in Staedten ca. 90%, auf dem Land ca. 50%) sind, wird m.E. sehr anspruchsvoller Stoff durchgenommen. In der vorletzten Klasse wurde in Chemie Elektrochemie, in Physik p,V-Diagramme und in Englisch recht anspruchsvolle Texte ueber Klonen und DNA durchgenommen. Allerdings ist behandelter Stoff nicht unbedingt gleich verstandener Stoff - wie jeder sicher selbst schon erfahren durfte.
  • Generell scheint es hier aber Standard zu sein nur eine Fremdsprache zu erlernen. Man muss allerdings sagen, dass man mit Englisch und Chinesisch halt auch gut aufgestellt ist und mit beinahe der ganzen Welt sprechen kann.




Englischniveau
  • Was das Englischniveau angeht, so muss man fairerweise sagen, dass es fuer Chinesen aufgrund der sehr unterschiedlichen Struktur des Chinesischen deutlich schwieriger ist Englisch zu lernen als bspw. fuer Deutsche. So wird im Chinesischen die Vergangenheit durch Hinzufuegen von Woertern wie "bereits" oder "gestern" die Vergangenheit gebildet und nicht durch die Konjugation von Verben. Auch wird das Geschlecht bei Adjektiven, Personalpronomen, etc. nicht beruecksichtigt, was sich in den vielen Fehlern der Chinesen diesbzgl. zeigt.
  • Auf der Strasse ist es im Prinzip unmoeglich auf Englisch zu kommunizieren. Bei jungen Chinesen hat man eine Chance sich verstaendlich zu machen. Immer wieder erlebe ich aber wieder exzellentes Englisch. So spricht meine Gastschwester und die Nichte meines Gastvaters sehr gutes Englisch. In Hangzhou habe ich eine weitere Chinesin mit beinahe akzentfreiem und tadellosen Englisch getroffen und das beste war demletzt, als mich ein kleiner Junge im KFC mit perfektem Englisch ueber meinen Aufenthalt in Dalian ausgefragt hat. Dabei helfen hier v.a. Englischkurse bei Muttersprachlern und viele englische Filme und Serien aus dem Internet (und nicht wie bei uns ein Auslandsaufenthalt).
  • Die Stadt ist voll mit Englischschulen und Auslaender die Englisch unterrichten wollen werden ueberall mit Handkuss und guter Bezahlung genommen.  

Bildungsstil - Wettbewerb und Disziplin

Alle Sympathisanten von Aussagen wie "das deutsche Schulsystem ist verweichlicht" o.ae. duerften in China strahlende Augen bekommen...
  • Der Lehrer wird hier noch brav stehend und mit "Guten Tag Herr Lehrer" begruesst und bekommt von einem Schueler die Tasche getragen.
  • Schueler sitzen hier noch aufrecht (was Geruechten zufolge in macnhen Schulen teils eisern auf dem Turnhallenboden sitzend trainiert wird)
  • Bei Wortmeldung stehen Schueler hier noch auf
  • Die Schueler putzen und wischen ihr Klassenzimmer taeglich (nicht freiwillig versteht sich)
  • Der gute alte Morgenappell montag morgens exisitiert auch noch, wobei die Flagge gehisst wird und ein(e) begabte(r) Schueler(in) zunaechst die Nationalhymne singt. Anschliessend werden die derzeitigen Punktestaende der Klassen und ihrer Klassenlehrer verlesen (mehr dazu unten).
  • Schueler tragen eine Schuluniform und haben bestimmte Vorgaben hinsichtlich des Aussehens. In meiner kurzen Zeit an der Schule habe ich mehrere Male mitbekommen wie Jungs sich in der Mittagspause ihr "wildes" Haar schneiden lassen mussten :D!


So sieht der ordnungsgemaesse Schueler aus.



  • Schueler sind hier noch ruhig und leben unter der staendigen Gefahr vom Lehrer mit ihrer Nummer (jepp gibt's und funktioniert :)) oder ihrem Namen aufgerufen zu werden
  • Wer sehr muede ist darf/soll sich hinten im Klassenzimmer hinstellen
  • Und jetzt etwas m.E. echt krasses (deutsche Lehrer hoeret auf):
    • Wer Klassenlehrer ist bekommt etwas mehr Geld, hat aber natuerlich auch ein paar Extraverpflichtungen, so muss er zum Beispiel beim Neujahrsfest an einem kuenstlerischen Auftritt teilnehmen :).
    • Jeder Klassenlehrer kann mit seiner Klasse pro Monat 95 Punkte erreichen. Je weniger Punkte, desto weniger Gehalt gibt's fuer den Lehrer. Zudem sind hohe Punktzahlen Voraussetzung fuer zukuenftige Positionen innerhalb der Schule.
    • Abzug gibt's wenn die Klasse oder einzelne Schueler der Klasse sich "schlecht benehmen", dann gibt's ein sogenanntes Ticket, das von beliebigen Aufsichtspersonen in der Schule ausgestellt werden kann und auf dem Grund und abgezogene Punkte (bzw. Verwarnung) vermerkt sind. Ein paar Tickets hab ich gesehen:
      • Ein Ticket gab's fuer nicht ordnungsgemaessen Haarschnitt
      • Ein Ticket gab's fuer eine offen gelassene Klassenzimmertuer
      • Ein Ticket gab's fuer ein nicht geputztes Klassenzimmer
      • Ein Ticket - mein Lieblingsticket - gab's fuer zu langes Anstarren eines Maedchens waehrend der Study Time :D.
      • Ein Ticket gab's fuer das Tragen eines Ohrringes
      • Ein Ticket gab's fuer Eis essen waehrend der Study Time
      • Ein Ticket gab's fuer Licht an und Geraeusche um 22:49 im Schlafsaal
    • Wie oben erwaehnt werden die aktuellen Punktestaende der Lehrer dann Montag morgens beim Appell verlesen und auch ernst genommen. 
    • Aus organsiationstheoretischer Sicht ist das ein recht effektives System um die Einhaltung der Regeln durchzusetzen .. ;)

Beim morgendlichen "Aerobic"
  • Es wird zwischen einem naturwissenschaftlichen Fokus (Klassen 1-6) und einem 'kuenstlerischem' Zug (Klassen 7-9) unterschieden
  • Die 100 besten Schueler der Schule werden auf einer riesigen Tafel im Eingangsbereich vermerkt und darauf sind sie auch stolz (habe erst vor ein paar Tagen die freudige Mail eines Schuelers bekommen, dass er jetzt da drauf ist).
  • Je nach Leistung werden die Schueler in unterschiedliche Klassen gesteckt.
  • Es gibt fuer allerei Dinge (semi-)freiwillige Wettbewerbe und die Schueler nehmen gerne daran Teil: Sport, Reden auf Englisch, ...
  • Ab der High School muss in China fuer die Schule gezahlt werden. Dabei bekommen sehr gute Schueler die Kosten beinahe komplett erlassen. Durchschnittliche Schueler zahlen mehr, aber immernoch sehr bezahlbar. Wer eigentlich zu schlecht ist fuer die High School (es gibt Aufnahmepruefungen) kann gegen hohe Summen sein Kind aber trotzdem auf die High School schicken.
  • Nur ca. 20% der Schueler koennen an einer Uni aufgenommen werden. Die landesweite Universitaetseingangspruefung ist DER entscheidende Test im Leben eines Schuelers. O-Ton einer Chinesin war: "Es ist das einzig wirklich faire in China", da hier Bestechung wohl nicht so einfach ist. Wer hier exzellente Leistungen bringt schafft es auf die Top-Universitaeten des Landes (z.B. Tsinghua in Beijing) und hat damit einen wichtigen Schritt in Richtung wirtschaftliche Sicherheit geschafft. Die Pruefungstage sind _die_ Tage eines jungen Chinesen. Wer moechte kann ein Jahr spaeter die Pruefung auch nochmal wiederholen.
Sonstiges

Die oben aufgelisteten Eindruecke sind naturgemaess die aus meinem Blickwinkel erwaehnenswert scheinenden und dementsprechend krasseren Fakten. Generell sind chinesische Schueler und Schulen aber nicht soo verschieden von deutschen. In der Pause wird gezockt und gehaenselt, in der Pruefung wird geschummelt und es gibt gute und schlechte Verhaeltnisse zu den Lehrern. Ehemalige Schueler kommen vorbei und bringen aus Dankbarkeit auch mal ein Geschenk vorbei (Schuhe aus Australien), in der Pause kommen die strebsamen Schueler ins Lehrerzimmer und bekommen bereitwillig Nachhilfe von den Lehrern und die Lehrer machen sich auch mal ueber den einen oder anderen Schueler lustig.

Generell scheinen mir die Schueler fuer ihr Alter im Vergleich mit deutschen Schuelern definitiv juenger und unreifer bzw. "unschuldiger" :). Das liegt mit Sicherheit an der behueteten und strengen Erzeihung und der geringen Zeit fuer Dingeausserhalb der Schule. Das sie diesbzgl. ihren westlichen Pendants hintendran sind sind sich die Schueler aber bewusst und bedauern es.

Allerdings ist es alles andere als so, dass Sport oder andere Hobbies (insb. Musik) zu kurz kommen. Das Ganze muss eben am Wochenende oder in der Mittagspause bzw. abends geschehen. Beim Neujahrsfest der Schule gab es viele wunderbare Auftritte von Talenten aus der Schule was Tanz, Gesang oder Instrumente anging.

Fazit

Das Leben der Schueler ist hart. Etwas mehr Freiheit wuerde nicht nur der Persoenlichkeitsentwicklung sondern auch dem generellen Wohlbefinden (angefangen bei Dingen wie Augen - es gibt so viele Brillentraeger durch das staendige Lernen) gut tun.

Es gibt aber auch eine ganze Reihe an Dingen, die in Deutschland sicher ein Gewinn waeren:
- Der Stellenwert von Bildung allgemein
- Die Wertschaetzung von guten Leistungen (aehnlich in den USA)
- Das Zusammengehoerigkeitsgefuehl in der Schule (aehnlich in den USA, dort sogar noch ausgepraegter)
- Ein kleiner Funken mehr Disziplin und Sport an deutschen Schulen taete sicher auch gut (es muss ja nich gleich der Rohrstock sein) - im Prinzip konnten wir ja fast immer machen was wir wollten :)
- Wettbewerb als Motivation (aehnlichin den USA) - das wird m.E. in Deutschland immer viel zu negativ gesehen. Daraus kann man echt was machen und teilweise eben zu herausragenden Leistungen ermuntern

So, das war's. Ist doch etwas laenger geworden als gedacht - hoffe der eine oder andere schafft's bis hier zu lesen :)!


Montag, 3. Januar 2011

Info

Zunaechst mal jede Menge Bilder, nachdem ich endlich ein PC gefunden habe, an dem ich die Zensur umgehen kann. Sobald ich mal einen waermeren Ort finde gibts auch noch mehr Stories. Aber beachtet die Bildunterschriften, da gibts auch Infos :)..

2011-01-02 Shanghai & Zhouzhuang